Benzol und Quecksilber an Erdgasbohrstellen – Kritik an Grenzwerten

Benzol kann Krebs auslösen, Quecksilber Nierenschäden und Fehlgeburten verursachen. Kritikern wird bei uns in der Region entgegengehalten, die Erdgasförderung führe „zu keinen messbaren zusätzlichen Immissionen“. So das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie zu einer Messaktion im Landkreis Rotenburg im Jahre 2016. Der SFA-Landkreis wird nicht erwähnt. Hier befinden sich die Problem-Bohrplätze Söhlingen-Ost-Z 1 und Z 14 auf dem Gebiet der Gemeinde Neuenkirchen. www.lbeg.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/titel-143709.htmlVorgelegt werden Daten, die sich im Rahmen von Grenzwerte bewegen, die teilweise in den sechziger Jahren festgelegt wurden und heutigen Erkenntnissen nicht mehr standhalten.

20.12.18 –

Benzol kann Krebs auslösen, Quecksilber Nierenschäden und Fehlgeburten verursachen. Kritikern wird bei uns in der Region entgegengehalten, die Erdgasförderung führe „zu keinen messbaren zusätzlichen Immissionen“. So das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie zu einer Messaktion im Landkreis Rotenburg im Jahre 2016. Der SFA-Landkreis wird nicht erwähnt. Hier befinden sich die Problem-Bohrplätze Söhlingen-Ost-Z 1 und Z 14 auf dem Gebiet der Gemeinde Neuenkirchen. www.lbeg.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/titel-143709.html Vorgelegt werden Daten, die sich im Rahmen von Grenzwerte bewegen, die teilweise in den sechziger Jahren festgelegt wurden und heutigen Erkenntnissen nicht mehr standhalten.

Misst man die vorgelegten Werte an den eigenen Ansprüchen des LBEG  („Wir suchen nach  Gründen für die Krebserkrankungen.“) so ist folgendes zu kritisieren:

Söhlingen-Ost Z1: Im Mai 2016 erfolgte eine Abfackelung zur Reinigung eines Förder-Rohrs, in dem sich mit der Zeit Verkrustungen bilden, u. a. Quecksilber und radioaktive Substanzen aus der Tiefe. Den Austritt von Quecksilber bestreitet Exxon nicht. An der besagten Bohrstelle wird im benachbarten Wald der natürliche Quecksilbergehalt im Boden um ein Mehrfaches überschritten. Dies war Anlass zur Kritik durch den Nabu Rotenburg: Es müsse Austritte in die Luft gegeben haben. „Wir fordern daher, dass endlich gemessen wird, ob und welche Schadstoffe in welchen Mengen dabei freigesetzt werden. Dass das bisher noch nie überprüft wurde, versteht kein Bürger.“ (Rotenburger Rundschau 30. 5. 2014)

Auch der Rotenburger Kreistag hat in 2014 gefordert, die klassischen toxischen Begleitsubstanzen der Erdgasförderung und auch Quecksilber zu messen.  „Diese Messungen sind bei brennender Fackel durchzuführen.“ Ersichtlich haben weder der Betreiber noch das LBEG als Aufsichtsbehörde dieser Forderung bisher entsprochen.


Wer reinigt die Atemluft der Anwohner?
Die Antwort kam am 12. 5. 2016 von der Exxon: 
 
„Geht von Fackelarbeiten an Erdgas-Bohrstellen eine Gesundheitsgefahr aus? Wird durch Wartungsarbeiten die Luft mit gefährlichen Stoffen belastet? Diese Fragen stellte Dietrich Wiedemann, Sprecher der Grünen-Kreistagsfraktion, am 9. Mai in der Böhme-Zeitung mit Blick auf Arbeiten an der Erdgasbohrung Söhlingen-Ost Z1.“ …

Exxon schlussfolgert: „Daten zeigen, dass sich Anwohner wegen Wartungsarbeiten an unseren Erdgasförderstellen keine Sorgen machen müssen.“

Wie wir erfahren, hat ein unabhängiges Ingenieurbüro von Juli 2015 bis April 2016 eine Messstation am Ortsrand von Söhlingen betrieben. Die Ergebnisse zeigten, das diese den niedersächsischen Hintergrundwerten entsprechen". Während der Dauermessung seien durchschnittlich lediglich 1,6 Nanogramm/Kubikmeter Quecksilber in der Luft nachgewiesen worden (Grenzwert 50 ng) und bei der Benzol-Messung durchschnittlich 400 Nanogramm/Kubikmeter (Grenzwert der Technischen Anleitung Luft: 5 Mikrogramm = 5000 Nanogramm). 

Im Mai 2016 erfolgten Fackelarbeiten an der Bohrung Söhlingen Z16. Das vom Landesbergamt beauftragte Ingenieurbüro  mass während der Arbeiten die Immission in der Luft: Ergebnis laut Pressemitteilung LBEG vom 8. 9. 2016: Söhlingen Z16: Quecksilber: 1,8 Nanogramm/m³, Benzol: 100 – 200 Nanogramm/m³.

Aufschlussreicher sind die Mess-Werte anlässlich der Abfackelung an der Bohrstelle Söhlingen Z14 am 16. 12. 2015: Quecksilber: 1,8 Nanogramm/m³, Benzol: 800 - 1000 Nanogramm. Es handelt sich um „durchschnittlich gemessene Werte“.

Zum Vergleich zitiert das LBEG die Benzolbelastung am Hamburger Flughafen: So lag die Benzol Konzentration im Oktober 2015 am Hamburger Flughafen bei 800 – 1900 Nanogramm/m³, in Söhlingen bei 700 Nanogramm/m³.  Der höchste Oktober-Stundenwert betrug in Hamburg 5400 Nanogramm/m³.

Der zuletzt genannte Wert verdient besondere Beachtung als Beleg dafür, dass eine Belastung der Atemluft keineswegs in Mittelwerten, sondern in ganz bestimmten Schüben erfolgt, die die Gesundheit belasten.

Hierzu als weiterer Beleg eine Graphik aus einer Präsentation des LBEG (Fallingbostel, 12. Mai 2017):



Bodenmessungen an der Lokation Söhlingen Z 14 im Juni 2014 erbrachten folgende Quecksilberwerte, die im Vergleich mit den Luftmessungen des LBEG auf bisher verborgene Ursachenketten (Fall-Out) schliessen lassen:

Grünlandfläche ca. 300 m nördlich Söhlingen Z 14
Probe MP 5: Flächenprobe aus 5 Einzelproben            310 000 Nanogramm/kg TS
Probe MP6:  Grasnarbe der kurz gemähten Wiese       490 000 Nanogramm/kg TS

Maisfeld ca. 1,0 km östlich Söhlingen Z 14                           
Probe MP 8: Flächenprobe aus 5 Einzelproben            180 000 Nanogramm/kg TS
Probe MP 9: flache Mulde im Feld, Oberboden             130 000 Nanogramm/kg TS
  
An einer benachbarten Bohrstelle – Söhlingen-Ost Z 5 hat das LBEG im Grünland 0,3 – 0,5 mg Quecksilber pro Kilogramm gemessen  (Untersuchungen des Bodens im Zusammenhang mit den Freiförder- und Fackelarbeiten der Exxon Mobil). Der Vergleich mit der weiter östlich gelegenen Bohrstelle Söhlingen Z 14 mit ebenfalls 0,3 – 0,5, gemessen durch Bernd Ebeling, bietet sich an.

Anzumerken ist, dass es sich in Söhlingen Ost Z1 nicht – wie gefordert - um Messungen „unter der brennenden Fackel“ handelt, sondern um Langzeitmessungen oder „durchschnittlich gemessene Werte“. Es handelt sich um Messungen aus grosser Distanz. An der Quelle wären höhere Werte zu erwarten gewesen. Ein Beispiel: Ende der 90iger Jahre wurde bei Salzwedel der Benzol-Gehalt am Schornstein einer Glykolregeneration gemessen.   -   Der höchste gemessene Wert am Schornstein betrug 44 000 Milligramm Benzol.

Während der Langzeitmessung 2015 in Söhlingen hat man während der Fackelung an der Bohrstelle Ost Z 1 „reine Heideluft“ gemessen, da Abfackelungen während der Messphase nicht stattgefunden haben.
Hingegen liegen signifikante Werte für die Fackelung an der Bohrstelle Söhlingen Z 14 am 16. 12. 2015 vor: Obwohl die Bohrstelle westlich des Messpunktes Hemslingen (also nicht in der Windrichtung) liegt, hat sich der Wert für Benzol von 200 Nanogramm im September über 400 Nanogramm im Dezember auf 900 Nanogramm im Januar erhöht.
 
Dem Grunde nach erweist sich hier, dass Quecksilber und Benzol in der Atemluft vorhanden sind, und zwar mit offenbar steigender Tendenz. Selbst der Wert der Langzeitmessung für 2016 liegt um 60 Prozent höher als der Wert für 2012.

Neben den Luftwerten existieren Quecksilberwerte im Waldboden neben der Lokation Söhlingen Ost Z 1. Diese übersteigen den natürlich zu erwartenden Referenzwert um ein Mehrfaches – gemessen wurden 400 bis 500 Nanogramm pro Kilogramm - und lassen auf einen ständigen Fall-Out aus der Luft schliessen.

Exxon meint, dass die zitierten Messungen unbedenklich seien, weil sie weit unter den gesetzlichen Grenzwerten lägen. Wir hingegen berufen uns zur Kritik auf Dr. Matthias Bantz (Ärzte gegen Atom in Rotenburg): „Grenzwerte sind nichts anderes als Konzessionen an die Wirtschaft, damit sie mit den Stoffen arbeiten kann.“ Auch bei niedrigen Konzentrationen potenziere sich die Krebsgefahr durch die Mischung der Stoffe. „Wir haben wissenschaftliche Ergebnisse vom Ausland, wo z. B. nachgewiesen worden ist, dass gerade niedrig dosierte Schadstoffe, die in der Abgasfahne auftreten (Quecksilber, Benzol und Toluol), gefährlicher sind durch die Kombination, als z. B. ein sehr viel höherer einzelner Stoff. “Eine Studie des Landesgesundheitsamtes zeige, dass der mittlere Wohnabstand der Erkrankten zu Bohrschlammgruben und Erdgasförderanlagen signifikant kleiner ist, als bei nicht erkrankten Kontrollpersonen.  „...gebe es in der Nachbarschaft von Produktionsstätten der Erdölindustrie auch Veränderungen im Erbgut sowie eine Häufung von Früh- und Fehlgeburten. Laboruntersuchungen hätten zudem in Boden, Gewässern und Luft eine zunehmende Belastung mit Benzol, Quecksilber, Arsen und radioaktiven Substanzen nachgewiesen.“ (Kreiszeitung Verden, 5. 7. 18)

Alsdann befasst sich Volker Fritz, Meinungsführer bei „Gegen Gasbohren“ mit der methodischen Kritik der Langzeitmessung in Söhlingen. Er macht geltend, dass sich hinter den ausgewiesenen Mittelwerten vermutlich Spitzenwerte verbergen: „Die behaupteten "Super-Werte" sind mir einfach zu glatt. Die Benzolwerte im Umkreis von Förderungen in den Böden an verschiedenen Plätzen lassen grundsätzlich erwarten, dass deutliche Mengen an Benzol emittiert worden sein müssten. Ebenso Quecksilber. Spitzenwerte, wenn sie nur kurz aufgetreten sind, werden so unterschlagen.“
 
Während der Fackelung in Söhlingen Ost Z 1 waren besorgte Umwelt-Aktivisten aus der Nachbarschaft mehrfach vor Ort. Nach ihrer glaubhaften Schilderung war die Flamme keineswegs gedrosselt, sondern am letzten Tag der Operation „wurde es sehr heiß.“ Der Bericht gipfelt in der Bemerkung, dass "Tankstellengeruch" wahrnehmbar war.

Eine Familie im benachbarten Dorf Bellen suchte 2011 einen Arzt in Schneverdingen auf: Blut und Urin wurden im Labor gemessen und enthielten Spuren von Quecksilber (maximal 1400 Nanogramm pro Liter),Benzol (maximal 700 Nanogramm pro Liter) und Toluol (maximal 3600 Nanogramm pro Liter).
 
(Umweltmedizinisch-toxikologische Bewertung von Boden-, Luft- und Grundwasserverunreinigungen durch BTEX und Quecksilber, die infolge von Leckagen an einer Lagerstättenwasserleitung der Erdgas-Bohrstelle Söhlingen Z3 aufgetreten sind - Gutachterliche Stellungnahme Professor Dr. Ulrich Ewers, Gelsenkirchen Dr. Hermann Kruse, Kiel).

Inzwischen sind trotz dieser angeblich geringen Schadstoff-Nachweise in 2011 Krebs und Nierenschäden bei drei Familienmitgliedern (von denen zwei verstorben sind)  aufgetreten. Der Versuch der weiteren Aufklärung der Ursachen durch Strafanzeige scheiterte. Laut Einstellungsverfügung  besteht kein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung. Bellen ist ein Fünfzig-Einwohner-Dorf, in dem bis 2005 keine Krebserkrankung bekannt war. Seither sind indessen zwölf Einwohner an Krebs erkrankt und vier von ihnen verstorben.



Dietrich Wiedemann, Mitglied im Kreistag in SFA (Heidekreis)

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2018 | Energie | Gesundheit | Umwelt